Gestern

     

War was? Natürlich war Samstag schon überall was vom „Tag der Deutschen Einheit“ zu lesen, zu hören, fernzusehen.Einige Zeitungen (auch unsere) würdigten den Feiertag gar mit Extraausgaben am 3.10. selbst. Aber wie war er nun, unser Nationalfeiertag gestern? Ich sammelte: „Zusätzlicher Festtag.“ „Richtiger Kurzurlaubstrip“, „Geburtstag meiner Frau“…

Er tut sich schwer mit uns, unser Nationalfeiertag und wir tun uns noch schwerer mit ihm. So richtig, so unbefangen und festlich wie ihn die Schweizer auf ihren Bergen mit Freudenfeuern, die Skandinavier mit noch mehr Flaggen als ohnehin, die Amerikaner mit Buttons auf jedem T-Shirt und mit Freude, in ihrem Staat Bürger zu sein, feiern – war das gestern? Oder hat der führende Psycho-Diagnostiker der 70er und 80er Jahre, Horst E. Richter, recht damit, daß „Die deutsche Neurose“ eben nicht nur saisonal wirkt, sondern bei uns Deutschen immer?

Tatsächlich – sie war schon immer merkwürdig – unsere Beziehung zu einem Nationalfeiertag: Vor der Reichsgründung 1871 gab es keinen. Nur in den deutschen Königreichen und kleineren Reichen feierte man die Krönungstage der Häupter des Landes. Nach der Reichsgründung 1870 mit wieder einem deutschen Kaiser gab es – auch keinen richtigen. Dafür einen Tag, an dem wir Deutschen uns alle treffen sollten im immerwährenden Siegesgedenken über den Erbfeind Frankreich in der Schlacht bei Sedan (2.9.). Sedanstag. Ein kleines Schuldgefühl, den Schlachtensieg über Nachbarn zum Nationalfeiertag zu erheben, hatte aber Wilhelm I. wohl gefühlt. Der bestätigte den Sedanstag nie offiziell und wehrte sich auch dagegen,
 

den 18. Januar zum Nationalfeiertag machen. Das war der Krönungstag des ersten preußischen Königs und der war ihm zu gut für was Gesamtdeutsches. Nächster Versuch in und mit der Weimarer Republik: Der 11.August wurde Nationalfeiertag, weil an einem solchen die erste Verfassung von Friedrich Ebert unterzeichnet wurde. Die Verfassung unserer ersten DDR, einer „deutschen demokratischen Republik“. Weiter gings mit Labilität und deshalb Wechselfreudigkeit bei deutschen Nationalfeiertagen. Das „3. Reich“ taufte den 1.Mai in einen solchen um, der seit 1890 als Kampftag der Arbeiterbewegung galt. Wie lange dieser Nationalfeiertag des Deutschen Reiches dauerte steht im umgekehrten Verhältnis zu seinem Namensgeber, dem „1000jährigen“ Reich.

Sympathischer (sym-pathein=griech.=mitfühlen, mitleiden) der 17. Juni unserer BRD an, an dem wir der Teilung zwischen Ost und West gedachten, gedenken sollten. Tat ich das - außerhalb der Wochenschauerinnerung an den tapferen Aufstand der ostdeutschen Brüder und Schwestern? Nationalfeiertag als Trauertag - mehr war nicht drin. Jetzt aber - jetzt seit 1990, gestern hatten wir wieder die Chance, unseren Nationalfeiertag positiv zu besetzen und zu feiern. Nicht als Sieg über Feinde, nicht als Trauertag. Aber selbst dieser endlich positiv besetzte Nationalfeiertag – wackelte noch ein mal, als Gerhard Schröder ihn 2004 auf einen der Oktobersonntage verlegt wissen wollte. Zwecks Arbeitstagsrettung zugunsten mehr Sozialprodukt.

Adieu, Du unser mühsam etablierter Nationalfeiertag 2011. Und willkommen 2012!




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
04. Oktober 2011