Vergessenes Uelzen

     

„Die AZ berichtete…“ schon ab und an darüber, wie sie das findet, wenn ein Zugführer Uelzen ansteuert – und eben dies vergisst. Diesmal traf das Vergessen auch mich. Im ICE Nr. 70, den ich am 23.11.in Mannheim um 17. 16 Uhr bestieg, um bequem bis nach Uelzen durchzufahren, Ankunft 20.55.
Weil ich die Bedeutung Uelzens selten mit ICE`s , mehr ab IC`s abwärts verbinde, frage ich gleich hinter Mannheim, ob dieser ICE 70 wirklich in Uelzen - ? Wo? Uelzen – Augenblick, ach so, Uelzen - aber ja! Er hält dort.
In Hannover überfiel mich neue Unsicherheit, ob es wahr sein könne, Uelzen und ICE-Halt…  Die neue Zugbegleiterin mußte nicht nachfragen, kannte Uelzen, nickte Zuversicht ausstrahlend, streckte den beweisenden Fahrplanflyer vor meine Augen. „Ja, natürlich, lesen Sie hier…“
Ich mach`s kurz: Ich trage Verantwortung dafür, daß der ICE 70  – doch nicht in Uelzen hielt. Suderburgs Lichter hinter uns gab es kaumEntschleunigung auf Uelzen und mein gutes Ohr ließ das Hirn kombinieren: So schnell fährt kein ICE in Uelzen ein. Recht hatte ich. Er fuhr durch.Siehste, wußte ich doch…
„Verehrte Fahrgäste“ kam es hinter Uelzen durch die Lautsprecher,“durch einen Fahrplanfehler wurde Uelzen nicht angefahren. Nächster Halt Lüneburg, von dort können Sie mit dem Metronom zurück um….“

 

Die genaue Analyse des Unglücks ergibt: Ich habe Schuld: Die Psychologie spricht von „selffullfillingprophecy“, von selbsterfüllenden Prophezeihungen. D.h. zu deutsch. In derjenigen Intensität, mit der der Mensch etwas befürchtet – zieht er an, was er befürchtet. Er erfüllt sein Schicksal, nicht dieses ihn.
„Das kann nicht gutgehen…“, „Oh, das geht schief…“ - Zauberworte, mit denen der Mensch seine Welt beeinflusst und manipuliert – ohne es zu wissen.
Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte freudestrahlend jedem im Zug verkünden müssen: Hören Sie, wußten Sie, daß wir einen provinzfreundlichen ICE fahren  dürfen? Denn dieser ICE hält bei uns! Bei uns in Uelzen!Na, das zwischen Hannover und Hamburg, nee? – na, das zwischen Celle und Lüneburg, ja, er hält wirklich auch bei uns. Toll nicht?“
Nein, das habe ich nicht verkündet. Ich habe das Schicksal angezogen. Und trageschuld, daß der Zugführer dann - log. Ich zwang ihn zur Lüge, denn es gab keinen Fahrplanfehler. Der Führer hatte uns vergessen. Meine Schuld. Und deshalb bitte ich darum, wozu der Zugführer durch meine Verantwortung nicht in der Lage war: Ich bitte meine Mitreisenden um Verzeihung. Wegen meiner selbsterfüllenden Prophezeiung.
PS: Eine Kopie dieser Kolumne geht an die Bundesbahndirektion und den Newsletter der lieben Bahn AG.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
03. Dezember 2013