Von gelben und faulen Säcken

     

Natürlich ist Kunst wichtig. Natürlich betrachten wir Collagen von Georg Lipinsky oder Skulpturen von Georg Münchbach oder Deckengemälde von Michelangelo oder Karikaturen von Haitzinger hier oder Charlie Hebdo in Paris. Wir betrachten ihre Produkte. Oder eigene . Wir sehen, staunen. Und wissen Kluges zu ihnen. Mehr und meistens weniger.
Aber es gibt Wichtigeres, Spannenderes als Werke, als Produkte.
Was Columbo, dem Kommissar, sein Schlabbermantel war dem Professor Joseph Beuys sein Hut und unter dem dachte er wichtiges Neues und neues Wichtiges. Z.B.: Der schöpferische Prozess, in dem etwas entsteht, ist wichtiger als das Produkt. Und je kreativer der Prozess desto augenscheinlicher, augenfälliger, nicht unbedingt gefälliger wirkt dann das Kunst-Produkt.

Ach! Wenn der Mann – leider ist er schon länger tot - doch nur einige unserer Dörfer am Abend vor der Abholung der gelben Säcke sehen könnte. Er wäre entzückt: Denn allein in unserer Straße im Dorf gibt es jede Menge „Installationen“. Auch so ein Produkt der modernen Kunstprozesse. Unser eigener gelber Sack hängt vorne an der Straße oben am Ast des Pflaumenbaums. Die Säcke von Schulz hinten rechts ( der hat einen Gartenbaubetrieb und deshalb mehr gelbe Säcke) sind kunstvoll auf dem Deckel des Abfalleimers geschichtet. In bestimmten Winkeln, so dass keiner herunterfällt. Reif für die „Documenta“ in Kassel ist Bremers Gelbe-Sack-Installation (s. Bild): Bremers Säcke hängen an einem ausgedienten mobilen Basketballkorb und können deshalb auch mehr im Wind schaukeln als unser am Ast hängender und am Stamm lehnender Sack. Oder Schulzens Liegesäcke.

Herr Wollschläger, auch so ein Professor für Kreatives, erinnert an den Ursprung des Wortes Kreativität: Crescere = Wachsenlassen. Ganz enorm wichtig ist im kreativen Prozess, den Zufall die Kunst mitgestalten zu lassen.

 

Säcke im Wind

Zufall? Aber nein. Wir im Dorf sind kreativ. Wir hängen die Säcke hoch, damit die Igel nicht rankommen, die Hunde, die Katzen. Denn unsere gelben Säcke reizen neben dem Auge auch deren Geruchssinn (den olfaktorischen). Und der wiederum reizt den Geschmackssinn (den gustatorischen). Und sie riechen nun mal toll aus den gelben Säcken, die Verpackungsreste für Yoghurt, Wurst, Käse, Obst und Süßigkeiten.
Städtische Kreativität verkümmert. Man muss nur sehen, was Städter mit ihren gelben Säcken machen, diese faulen Säcke. Blind sind sie, was man für tolle Kunst mit den gelben Säcken gestalten kann.

Ich warne die Politik. Die plant ja, eine gelbe Tonne anstelle der Säcke einzuführen. Kunstbanausen, die so denken!



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
01. August 2017