Geburtstagsgruß

     

Weitab vom Schuß an der polnischen Grenze unterrichtend, hörte ich von seinem Tod, sehe in Gedanken die Kondolenz-Anzeigen und die Würdigungen seitenweise, sehe sein Geschäft, sehe ihn vor mir. Und sehe den Zettel auf meiner Korrespondenzmappe: Wolfgang Mocek zum 70. Geburtstag gratulieren, ein Zettel, den ich in Unkenntnis seines Todes schrieb.

Er dürfte sein Leben als junger Mann empfunden haben mit dem Selbstbewußtsein, körperlich „ideale Mittelgröße“ zu sein. Später wurde er wie alle in unserer Generation daran gewöhnt, an den nachfolgenden kalziumbedingt langgezogenen jungen Männern empor zu sehen. Dabei war und blieb er ein großer Mann.

Das ist einer, der erfüllt sein Leben lebt – und Fülle abgibet an andre,

der, der an andre sich gibt und dankbar weiter wandre –

der, der sich nicht um jede Meinung schert doch andrer Meinung nicht verkehrt…

der sei ein großer Mann -

schreiben sinngemäß andere große Männer: Heinrich Pestalozzi, Dietrich Bonhoeffer und – Paul Gerhardt, Wolfgang Moceks Lieblingsdichter.

Ich erinnere Wolfgang Mocek nur in zwei Textilien: Im Smoking/ Schwarzen Anzug auf (Standort-) Bällen oder Festessen wie dem Uelzener Armenessen – und in jenem graublauen Arbeitskittel.
 

Dieser Kittel war die berufliche Uniform des von lebendigen Menschen begeisterten Kaufmanns Wolfgang Mocek. Dieser Kittel war für mich Ausdruck einer in dieser Welt rar gewordenen persönlichen Bescheidenheit. Eine Bescheidenheit, die er jedem Gesprächspartner auch in seinen politischen, offiziellen Rollen entgegenbrachte. Eine Bescheidenheit, die gegenüber seinem Gott, den er mit seinem Lieblingsdichter Paul Gerhardt täglich sprach, zu Demut wurde. Ohne penetrante Frömmigkeit.

Die Psychologie würde Wolfgang Mocek beschreiben als Person mit einem geschlossenen Kernselbst, das ihm lebenslang die Sicherheit auch dort gab, wo er „angemacht“ – wie jeder politische Mensch. Ich las, daß er kein guter Redner sei und andere öffentliche Kränkungen, die jeden politischen Menschen begleiten und die er sicher – wie jeder politische Mensch - auch manchmal zurückgab, bewusst oder unbewußt.

Ein sehr guter Redner ist aber noch lange kein guter Kommunikator. Sogar dem eiligsten Kunden in seinem Geschäft (ein solcher bin ich, nein, war ich) gab er das Gefühl der Widmung persönlicher Aufmerksamkeit. Sein Geschäft: Es war wie ein gut ausgestattetes Museum um 1900, weil es dort Dinge neu gab, die ich vergangen wähnte: Kaffeemühlen aus Holz und Obstpflücker, die wie barocke Klingelbeutel aussahen. Daneben Entsaftungsmaschinen mit integriertem Computerklingeln, wenn die Frucht leer war. Heute können sich diejenigen an seinem 70. Geburtstag gratulieren zu einem Original, das nicht nur die Rezepte seiner wichtigsten Gewürzmischungen mit ins Grab nahm. Sondern auch manche menschliche Würze, die jetzt fehlen wird.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
01. Juni 2010