Nette Panne
„Guten Morgen, Prof. Dittmer," sagte Frau Bergmann am Frühstücksmorgen vor 14 Tagen zu mir. Normalerweise lächelt sie dabei. Heute grinste sie mehr als daß sie lächelte. Den Witz verstand ich erst, als ich mit ihr die AZ vom 10. Februar aufschlug und meine Kolumne darinstand. Wie immer. Und oben drüber mein Konterfei. Auch wie immer. Abweichend war nur der kleine Text daneben. Da stand nun neben meinem Bild, daß ich Otto Dittmer sei, in Melbeck lebe und an dieser Stelle Plattdütsch schreibe. Eine Panne ist normalerweise eine Panne. Dieser verwechselte Textblock ist eine nette Panne, die mir außerordentlich gut zu Gesicht steht. Aus drei Gründen: Erstens wollte ich immer schon so gerne Plattdeutsch schreiben, kann ich aber nicht. Meine Mutter konnte noch sehr gut Platt verstehen und noch schöner vorlesen. Und mein aus Holdenstedt stammender Großvater predigte gar in Platt, wenn er am Orte seiner Jugend predigte. Oder wenn es seinen Städtern etwas besonders nachdrücklich deutlich machen wollte („abkanzeln"). Die nette Panne brachte mich erstmals mit Plattdeutsch öffentlich in Beziehung. Und was ich nicht bin, kann ja noch aus mir werden: Ein Otto Dittmer. Zweitens bin ich schon oft „Otto" genannt worden, wie dieser Herr Dittmer aus Melbeck. Öfters wenn ich hundemüde bin oder starke Grippemittel nehme, um mich nicht hinlegen zu müssen - dann nennen mich manche „Hallo Otto" - wegen einer ganz entfernten Ähnlichkeit mit Otto Waalkes. Allerdings nur, wenn ich elend bin. (Von wegen der Eierköppe bei beiden, und der für manche Gegenüber ablenkend großen Nasen-Zinken.) Als ich Otto Waalkes einmal vor 20 Jahren in Düsseldorf nach einem seiner Konzerte begegnete, staunten wir damals beide über die gewisse entfernte Ähnlichkeit. Auf dem Bahnhof wurde ich gar mal um ein Autogramm angehauen, was ich auch gab - und jemanden furchtbar enttäuschte, als da dann nicht „Otto" stand...Drittens liebe ich Melbeck: Dahin habe ich Dorothea zur Schule gefahren. Dort baut und dorthin zieht ein mir freundschaftlich verbundener Uelzener Arzt, weil seine Frau bereits einen Teich dort besitzt. Ich werde also öfter dort noch fischen gehen. Mit einem Wort: Eine nette Panne. Nur, daß es Anrufer gab und einige Briefe in den Tagen hinterher mit der Frage, ob denn die Kolumne („Die Frau von Welt") nun von Otto Dittmer sei - oder von mir. Ob also nur das Bild falsch bzw. ich falsch gewesen sei und alles andere käme vom Herrn Dittmer. Das hat mich gewurmt. Natürlich war die Frau von Welt meine (Kolumne). Aber ich bin auch nicht Reagan: Ein Psychologe hatte Präsident Reagan, als der zum zweiten Mal kandidierte, in einer Kleinstadtveranstaltung statt des eigenen Parteiabzeichens (Republikaner) das der Demokaten ans Revers geheftet - und gar keiner merkte es. Reagan überstrahlte einfach alles, unabsichtliche Pannen und gar diesen Pannen-Test. So bin ich leider nicht - und man merkt die Panne. Bedauert Ihr (mit diesem Schluss „Uhlenköper" nacheifernden, ich bin es aber nicht!) vorübergehend Otto Dittmer-Decker-Voigt.
24. März 1998