TÜV durch die Kirche
Am Zaun des Pfarrhauses in Hanstedt I ist ein neues kirchliches Service-Angebot zu lesen. „Prüfstützpunkt" prangt da groß am Gartenzaun des Hanstedter Pfarrhauses und dies - zusammen mit der ausgezeichneten typographischen Gestaltung des Schildes - ließ mich an die vielen anderen kreativen Ideen der Kirche denken, die diese in den letzten Jahren entwickelte, um mitzuhalten im Service-Angebot. Zwecks Christen-Bürgernähe, gegen weitere Kirchenentleerung und zugunsten der (nicht nur Christen-)Gemeinschaft wetteifern unsere Pastoren ja inzwischen auf dem Kreativ-Sektor. In Schleswig lockt ein Geistlicher die Touristen zum „Kirchenschlaf" und in Magdeburg verhandelt ein Kirchenvorstand mit einem Gastronomen, um die Kirche in Teilen und zeitweise mit lukullischen Angeboten zu füllen. Hanstedt also macht den Vorreiter mit dieser dollen Idee: TÜV durch die Kirche! Als Lockwort („Eyecatcher", sehr geschickt!) dient also Prüfstützpunkt". Das finde ich noch mäßig originell, denn Prüfstützpunkte waren unsere kirchlichen Institutionen für Gewissen und Überich immer schon. Darunter steht jedoch sehr handfest: „Reparaturen aller Art". Das ist doch was. Mir fiel ein, daß immer mehr Geistliche therapeutische Zusatzausbildungen absolvieren, um über Seelsorge hinaus reparieren zu können. Warum nicht weitere Reparaturausbildungen? Die Werbung am Pfarrzaun verheißt weiter „Lackierungen" (zum Lack des Lebens gehörten immer schon die Taufen, Konfirmationen und mehr noch die Traumhochzeits-Szenen in und besonders vor der Kirche, (warum also davon nicht mehr?) „Unfallschäden" wird sich auch angenommen. Nun das ist wieder weniger neu. In Nöten rief man immer schon den Arzt und in größten, letzten Nöten den Geistlichen. Ein bisschen riskant, weil möglicherweise zu allumfassend ist das Angebot „Unfallschadenbeseitigung". Pfuscht dieser Anspruch nicht in die Kompetenz des höchsten Chefs aller Kirchen? Nun - ein bisschen (Größen-)Wahn gehört wohl zu jeder Werbung und diese hängt schließlich am Pfarrhauszaun. „Reifen- und Auspuffservice" lese ich und könnte das auch gut brauchen. Mit Hilfe dieses neuen kirchlichen Dienstes besser durchs (Kirchen-?) Jahr rollen können und gut durchpustet zu sein. Kirche hatte immer schon Katalysator - unter anderem Umweltschutz-Aufgaben. Nur nicht immer so bewusst wahrgenommen, wie jetzt in Hanstedt I. „Bremsen - und Stoßdämpferprüfung" sind auch im Angebots-Katalog. Warum nicht, Prophylaxe und Prävention sind nicht neu als kirchliche Aufgaben, aber selten so klar formuliert worden. Last but not least: Im Gegensatz zu mittelalterlichen Kirche oder heutigen Sekten, werden zahme Preise zugesichert und das will ich gerne glauben. Bisher haben unsere Kirchen schlechte Geschäfte gemacht mit den vielen kostenlosen kirchlichen Diensten an Familien (Taufe, Konfirmation unter anderem), deren hauptverdienendes Mitglied aus der Kirche ausgetreten ist und gar keine Mark Kirchensteuer zahlt. Da ist es (kirchen-)recht und billig, daß Hanstedt für den neuen Dienst etwas Geld nimmt. Und vor allem ganz sicher Zulauf bekommt. Der Chef des technischen Überwachungsvereins da ganz hoch oben wird sich über die Kreativität seiner Diener ebenso freuen wie über den Erfolg damit.
17. Juni 1997