Uwe oder Furcht vor Computern

Uwe wurde jetzt 10 Jahre alt. Ich meine natürlich sein Betrieb. Uwe hat eine Computerfirma und über die und deren Jubiläum darf hier aus rechtlichen Gründen nicht erzählt werden - von wegen Konkurrenz bzw. Wettbewerb. Worüber aber öffentlich nachgedacht werden darf, ja unbedingt muss, das ist die gesellschaftliche Rolle von Uwe und seinesgleichen, die unseresgleichen die unheimliche Computer-Welt heimelig machen will. Und das immerhin so erfolgreich tut, daß ein Teil der Computer inzwischen „Heimcomputer" heißt. Nehmen wir also Uwe einmal als Repräsentant dieser Gruppe von Computerfachleuten und reflektieren einmal sein Metier. So von Laie zu Laie. Das war doch so, daß wir Mittelalterlichen uns überwiegend an unseren mechanischen Schreibmaschinen um so mehr wie die Affen festklammerten je mehr und je jünger die Typen um uns herum wurden, die durch ihre Neugier begabt - umso virtuoser auf den Keyboard-Tasten ihrer Heimcomputer hin und her huschten je unbefangener und naiver sie waren. Das war ich nicht. Ich machte es erst einmal wie der berüchtigte Mensch, der vor dem Himmel steht und zwei Eingänge sieht. Da ist einmal der direkte Eingang „In den Himmel" und daneben ist der Eingang zu einem Vortragssaal, in dem Vorträge über den Himmel gehalten werden. (Und natürlich verkopft wie der Mensch ist - sicherheitshalber erst einmal in letzteren geht....Ich kaufte entsprechend ein Buch über die Notwendigkeit von Computern und - das ich darin trotz dreier gelernter Sprachen (Fachchinesisch nicht mitgezählt) - nicht einmal das Vorwort begriff, bestellte ich per Versandkatalog ein Buch, das extra für die geschrieben war, die die einführenden Handbücher nicht verstehen. Auch nichts. Ich sah rot, wenn ich die schwarzen Drucktypen las, die mir die Welt der KBites und 40,60,80er Festplatten, der Arbeitsspeicher und Druckertreiber klar erklären sollte. Und floh noch schneller zur alten mechanischen Erika zurück als zuvor. Jeder, der flieht, verspürt Panik. Meine Panik wuchs als ich plötzlich Herrn Sobanski in der Ebstorfer Post vor so einem Ding sah, anschließend von meinem kleinen Vetter Sebastian eine wunderschöne Gratulation geschickt erhielt. Kurz danach strahlte Herr Heitmann plötzlich auch in seiner Apotheke neben einem Monitor und in der AZ-Redaktion flimmerte es ohnehin schon lange diffus. Die Nerven verlor ich, als mein 75jähriger Onkel plötzlich Weihnachtsrundbriefe schickte: In Blocksatz mit 3 verschiedenen traumhaften Schrifttypen! Er habe einen PC-Kurs für Senioren jetzt besucht, erläuterte Onkel Hans-Heinrich überflüssigerweise. Alle - nur ich nicht. Für solche Leute wie mich gibt es Uwe(s). Der Uwe, der gerade Geburtstag hatte, versteht nicht nur was von Computern. Er versteht auch was von Leuten, die Lernhemmungen, Motivationsblockaden, kurz schreckliche Angst vor Computern haben. Uwe mäßigte Angst, weil er mich an den Teddy meiner Kindheit erinnert (auch braune Augen) und verkaufte mir den ersten Computer (mittlerweile sind es sechs, glaube ich). Und verklickerte mir das Klickern auf dem Keyboard durch Leute, die sich erstmal neben mich setzten und auf die Ähnlichkeit mit Erika (meine alte Schreibmaschine) zeigten. Ein Therapeuten-Kollege von mir sitzt jetzt an einem eigenen Programm für Patienten, natürlich nur solche, die einen Heim-PC haben. Die sollen sich zuhause damit unterhalten und den PC befragen können, wie es ihnen so geht und wie es ihnen besser gehen könnte. „Eliza" heißt das hilfreiche Programm. Meines heißt Uwe.

14. September 1993