Loblied auf eine Matratze

Wenn naheliegender Weise, Liebespaare einander auf bestimmte Weise nahe liegen, spielt in diesem unserem Kulturkreis manche Matratze eine durchaus hauptsächliche Rolle. Heute ist von einer scheinbar nebensächlicheren Matratze die Rede. 99 Mark bezahlte ich vor den Ferien für jene Matratze, auf der ein Erwachsener - laut Bildchen auf der Plastiktüte - im Wasser schwimmen und sonnen könne. Na und? fragt der gegenwärtige Ferien- und Freizeitpark, wozu solch Aufsehen um eine Luftmatratze? Das ist es eben solche, eine gewöhnliche Luftmatratze ist meine Matratze nicht! Unglaublicher Weise ist sie wie eine zusammenrollbar leichte Wolldecke und soll bis zu das 80 Kilo im Wasser tragen heißt, ich könnte mit meinen 55 Kilo immer noch ein Kind oder ein Riesenlunchpaket mit aufs Wasser nehmen. „Sei vorsichtig," mahnte Christine skeptisch, als ich beim ersten Strandgang zum Mittelmeer mit der Matratze mehr beschäftigt war als mit der Schönheit der Pyrenäen in der Ferne oder den näheren Schönheiten auf ihren (gewöhnlichen) Luftmatratzen. Doch sie funktionierte, meine Matratze! Sie trägt den Körper nicht nur sicher, sie trägt ihn - im Gegensatz zur ordinären Luftkammern-Matratze - derart kunstvoll, daß der ganze Körper gerade unter der Wasseroberfläche ruht und sonnenbeschienenen vom Oberflächenwasser beplätschert wird. Nach anfänglichem Misstrauen erlaubt sich sogar der krampfhaft hochgehaltene Kopf samt Nacken abzusinken und es sich auf diesem schwimmenden Bettlaken bequem zu machen. Der Muskeltonus flacht ab, gegenwärtig nichts nutzende Extremitäten wie Arme und Beine fallen seitlich in das Wasser und der Mittelmeerhimmel küsst die schönsten oder zweitschönsten Gedanken wach, während das Strandgewimmel- und gebimmel nur von Ferne zu hören ist. Im Gegensatz zum Gluckern und leisen Platschen des Mittelmeeres in den Außenohrgängen...Diese Matratze ermöglicht das Paradies auf Erden. Doch - gab es das nicht, schon einmal? Daß wir verlässlich und sicher getragen wurden? Daß angenehmstes Wasser uns umspülte und die Welt noch sicher (weit weg) war? Altmodisch gesprochen war das in den neun Monaten, die wir in Mutters Schoß verbrachten. Neumodisch heißt das: Intrauterine Erfahrung, an die uns - von ferne - auch ein Bad in der heimatlichen Badewanne erinnern kann. Aber eben nur von ferne. Meine Matratze die hier auf dem Mittelmeer kommt dem Paradies von damals und dem vielleicht künftigen ganz sicher am nächsten. Doch was hindert mich, diese Matratze nicht nur auf dem Mittelmeer zu genießen, sondern auch auf dem heimatlichen Hardausee bei Hösseringen? Oder im Badue von Uelzen? Oder Brüggemanns Teichen in Allenbostel? Naheliegender Weise. Oder – fernerliegender Weise, im dritten Jahrtausend - im geplanten Stausee bei Ebstorf? Nichts hindert mich. Dank Dir, meine Matratze! Sie mahnt mich sowieso an die Heimat, weil sie oben gelb, unten weiß ist: Welfenfarben…

13. Juli 193