Drillinge
Cousine Bärbel ist Großmutter geworden. Dreifache. Mit einem Schlag. Bzw. einer Zeugung und nur einer Schwangerschaft. Das Foto von Bärbels Tochter neuen Kindern ging in der Runde rum, kam zu mir und ich sah und erschrak. Ich erschrak erstens als Fachmann für die gesunde Entwicklung von Kindern und zweitens als Großonkel (2. Grades), der mit geradestehen müsste, wenn die Entwicklung der Drillinge das Gegenteil von gerade werden würde. Das Unglück passiert unweigerlich, wenn meine zwei neuen Großnichten und ein -neffe weiter so in ihrer Luxus-Karre über diese Erde geschoben werden. Übereinander nämlich! Übereinander hocken sie da! Das kann nur schief gehen: Übereinander sitzend muss das soziale Lernen der Drei auf völlig schiefe Bahn geraten. Das oberste Kind gewöhnt sich an Hierarchien, an Macht. Die unteren Etagen daran, dass es immer eine Obrigkeit gibt und für sie nur ein Unten. Umgekehrt lernt das unterste Kind zwar keinen Überblick, dafür aber Solidarität mit dem zweiten unteren Rang gegenüber dem da oben. Jedoch auch das oberste Kind ist gefährdet: Es lernt keine Erdverbundenheit und nie den Mikrokosmos von Pflanzen, Pflaster und Zimmerböden. Außerdem ist es gestresst durch die übervollere Reizeinwirkung da oben als da unten. Und das mittlere Kind lernt noch früher als andere mittlere Kinder all deren Probleme der Position zwischen den Stuhl- bzw. Karrenplätzen dieser Welt. Und dann erst die ungerechte Liebe und Zuwendung! Auf wen geht der Erwachsene, der sich den Dreien nähert, zu? Wen lächelt er und wen spricht er zuerst an? Das oberste Kind. Das ist der eigenen Augenhöhe näher und beim mittleren müsste man sich schon bücken, beim untersten durchtrainiert sein. Dafür kriegen Untere und Mittlere (familiale) Gewitter und Krach weniger ab als die da oben. Höchste Platzinhaber sind die garantierten Infarktanwärter wegen Overdisstress! Kurz: Diese Sitzweise schädigt alle drei neuen Verwandten, die unsere Renten mal zahlen sollen, weshalb wir auf ihre Gesundheit angewiesen sind. Die Mutter der drei Neuen und ihre Mutter, meine Cousine Bärbel, haben meine Problematisierung akzeptiert und handeln ab sofort: Alle Spazierfahrten wird gewechselt: Oben kommt ganz nach unten, Mitte nach oben, anschließend nach unten, manchmal auch nur über die Mitte nach unten. Ebenso rangiert unten manchmal katapultartig nach oben, fällt die Treppe rauf ohne Erfahrung in der Mitte zu machen. Auch dies lernen die Drei, je nach Sitzmanagement: Wer hoch sitzt, fällt tief und mancher Grabenkämpfer unten wird nach oben gezerrt - ohne jede Qualifikation. Kurz: Sie werden so alle Drei alle soziale Erfahrungen machen. Meine neuen zwei Großneffen und meine Großnichte. 2. Grades.
12. Juli 2005