Stundenplan und Schulregelung

Da saßen wir nun in der Aula. Einführungsveranstaltung in die neue Schulstufe. Hinter uns die Grundschuljahre unserer damaligen lieben Kleinen, vor uns die Zeit weiterer Orientierung der großgewordenen Halbflüggen. Weswegen die dazugehörige Schulstufe Orientierungsstufe heißt. Noch weiter vorne steht der Schulleiter - mit jenem Hauch von Jugendlichkeit und lockeren Sprüchen, der den Ernst der Sache nicht Bierernst sein lässt. Ein hoffnungsschwangeres Klima also. Doch dann kam - wie bei jeder Schwangerschaft - etwas heraus: Die Schüler kriegen zwar Lehrer, sie kriegen sogar alle einen eigenen Klassenraum - aber sie kriegen keinen Stundenplan! Der Schulleiter erklärt das Unerklärbare: Die Schulabteilung der Bezirksregierung habe es leider nicht geschafft, der zum Schuljahresbeginn die restliche Schulleitung neuen Lehrkräfte zu melden. Erst nächste Woche käme vielleicht die Angaben, welche Lehrer für welche Fächer noch kämen - und dann die Lehrer, Bis dahin liefe Notbetrieb. Für jeden Tag ein Vertretungsplan. Kein Schulbeginn, ein Provisorium. Tun wir einmal das, was uns reife Erwachsene sein lässt: Üben wir uns in konstruktiv-kritisch-reflektierender Hinterfragung der Regierung im natürlichsten Spannungs-Viereck Schüler-Eltern-Lehrer-Verwaltung: In der Schulabteilung sitzen meist altgediente Ex-Lehrer. Die kennen die Zusammenhänge zwischen Lehrerzuordnung und Stundenplan rückwärts. Und dies wird nun der Grund sein: Die Schulregierungsleute denken rückwärts: Erst Stundenplan, dann Lehrerzuweisung. Logisch bzw. psychologisch, nicht? Es kann aber auch sein, daß speziell diese Schule diese Schwierigkeiten hat. Weil die ganze Gemeinde, in der diese Schule liegt, derzeit Sensationelles zu melden hat in Sachen Lehrer- und Kindergärtnerinnen- und vor allem Rektorenbesetzung. Die alle verspätet oder noch nicht oder erst später stattfinden. Und in einem die erschwerenden - Schul-Regierung Kommunalumfeld kann man selbst als wohlwollende Regierung nicht regieren ohne Reibungsverlust. Und selbst wenn die Schulregierung diesen Bock geschossen haben sollte: Seien wir doch dankbar für den fehlenden Stundenplan. Ohne Stundenplan lernen wir erst, wie wichtig dieser ist. Vielleicht war die Vermittlung dieses Erkenntnisfortschritts gar die Absicht in Lüneburg? Vielleicht aber muss unsere Schulregierung doch nur mal wieder auf eine Regierungsschule. Und eine Klasse wiederholen.

11. August 1992