Die Frau von Welt

Wir sind auf einem guten Wege - für die Frauen: Die Über-Repräsentanz von uns Männern weicht langsam, aber unaufhörlich einer neuen Lockerheit: Bisherige männliche Domänen (den „Mann von Welt") gibts inzwischen längst als Frau von Welt. Geschäftsfrauen gabs immer schon, Amtsfrauen wiederum sind wieder jünger - so wie alle übrigen Funktionsbezeichnungen und Titel wie Professorin, Ministerin, Präsidentin, Friseurin, Apothekerin. Nur Frau „Doktorin" hinkt noch. Hingegen überall die Fachfrau neben dem Fachmann. „Flachmann" wird wohl männlich bleiben. Was der Mann von dem ich den Kolumnen-Titel klaute, zu wenig beachtet hat, ist dies: Die Wörter, die überwiegend uns Männern überlassen werden, sind gar nicht schön! Lebefrauen? Gibts nicht. Pennschwestern kaum. Wir werden Lebemänner und Salonlöwen bleiben, Hagestolze und Lustmolche, Pfennigfuchser und Gockel. Kein Weib wird sich nach Gleichberechtigung drängen. Nach Salonlöwin, Lustmolchin oder Geizhenn. Buhmänner. Blödmänner, Doofmänner - sind auch immer nur wir. Und sowas Unangenehmes sind wir viel häufiger in der Sprache als die viel sanftere Form der „blöden Kuh" und „dummen Gans" gewohnt. Selbst in der Welt symbolischer Gestalten sind wir Männer negativ, bedrohlich. Sensenmänner und auch der Tod hat einen männlichen Artikel, während die Geburt - ist ja auch einzusehen - ausnahmslos unangenehm für beide Geschlechter, für Mann wie Frau. Z.B. „Miststück", Schmutzfink". „Jammerlappen". Gut - da gibt es immer noch kleine kärgliche Reste alleiniger Männerschaft in der Sprache, aber wie lange noch - wird es uns allein als Ehrenmann geben? Als Strahlemann? Eines Tages werden auch die Schiffe nicht mehr mit Mann und Maus untergehen dürfen, weil die Frauen überall mitmachen werden wollen und sollen. Und Skatrunden-Männer werden gezwungen, die dritte Frau ebenso zu suchen, wie den bisherigen Mann. Die Geschichte hat einige Beispiele von besserer Sprachdemokratie. Z.B. gab es neben dem Vaterhaus immer schon ein Mutterhaus, wenngleich vorbehalten für Frauen, die auf eigene Mutterschaft verzichten. Doch diese Geschichten werden bald Geschichte sein. Ab 1999 werden wir genau so viele Alleinerziehende haben, wie nach 1945: Sechs Millionen. Was das mit dem Thema zu tun hat? Nun, nach dem Krieg waren es sechs Millionen Frauen, die ihre Kinder allein aufzogen (darunter ich, und ich lebe immer noch und gut und dankbar dafür). 1999 jedoch werden es nicht nur alleinerziehende Mütter sein, so daß es entsprechend viel Mutterhäuser ganz neuer, moderner Form geben wird. Es wird auch ca. 2000 Männer geben, die Kleinst- und Kleinkinder allein erziehen werden. Und da wird es auch anders: Da wird es nur sehr wenig prägende frühkindliche Muttersprache geben - und sehr viel mehr Vatersprache. Die wachsende Zahl von Hausmännern und für ihre Frauen in Erziehungsurlaub gehenden Männer wird ein Übriges dazutun...Ganz so leicht wird es also nicht mit der totalen „Entmannung der Sprache", die sich einige Frauen wünschen. Solche Frauen kenne ich jedoch nur schriftlich, nicht in meinem Umfeld.

10. März 1998