Arme Robyn!

Robyn selbst - ja, Robyn hat ein Buch geschrieben, das gerade veröffentlicht wurde. Darin beschreibt sie, wie sie als erste Frau dem Manne auch in der Wüste nachzueifern versucht. Indem sie wie bisher die Männer jener Gegend ein selbst auferlegtes Überlebenstraining übt und sich mit den drei Kamelen vertraut macht, die ihre einzigen Weggefährten werden sollen auf diesem Bewährungsritt durch die Wüste, die Männerwelt. Ich nenne erfurchtsvoll das Ergebnis: Robyn hat mit Härte, Disziplin und hoher Intelligenz die Männer eingeholt und diesen Wüstenritt zu einem Erfolg gemacht. Arm ist sie nur dadurch, daß sie keine ruhige Minute dabei hatte: Immerzu umschwirrten sie ganze Gruppen und Grüppchen von Reportern, Kameraleuten und Journalisten bei ihrem Projekt- und das machte sie verrückt. Die ganze Würde der Wüste und der Einsamkeitserfahrung in ihr sei durch diesen Rummel gestört und zerstört worden klagte Robyn. Die vor dieser Reise mit den drei Kamelen mehrere menschliche Kamele in Redaktionsstuben aufgesucht hatte, um sich genügender Öffentlichkeit zu versichern...Robyn hat es schon schwer, Robyn erinnert mich mit ihrer schweren-selbstgewählten - Aufgabe an einige Menschen hier in der Gegend um mich herum; Sie erinnert mich an Tante Gertrud, die während eines Kaffeetrinkens kürzlich kämpferisch für die noch strengere Bestrafung von Lehrern focht, welche ihre Schüler mit körperlicher Züchtigung drohen. Dabei sezierte sie mit ihrer Kuchengabel die Luft unter der Lampenschirm und rief mehrfach: Selber durchprügeln sollte man diese Pädagogen!" und ließ dabei offen, wen genau sie mit selber meinte Durch und durch hatte sie ihre jeweiligen Hunde hingegen geschlagen: Von der ersten Pfütze angefangen, die diese als Welpen auf dem echten Perser hinterließen bis zum scheinbar grundlosen Ausbruch später, wenn sie groß und aggressiv gegen den Briefträger und andere Menschen waren. Robyn erinnert mich an einen Betriebsratsvorsitzenden in unserem umtriebigen Landkreis, der die glutheiße Diskussion über generelles Rauchverbot in den Büroräumen mit dem energischen Satz abschloss: „Also Leute, Rauchen ist eine Geißel unserer Gesundheit, und dem müssen wir Rechnung tragen!" Und damit nahm er seine halb zu Ende gerauchte Zigarette aus dem Mund, steckte eine neue hinein, um diese mit der Glut der letzten anzuzünden. Robyn erinnert mich an einen Hochschulpräsidenten, der großen Wert auf seine geheime Telefonnummer legt, die nicht im amtlichen Telefonbuch zu finden ist. Pünktlich nach immer zwei Jahren schreibt dieser Präsident dann einen öffentlichen Rundbrief, den alle bekommen: der Vizepräsident und der Hausmeister, sein zuständiger Ministerialdirigent und die Schwiegereltern. Darin steht dann die Klage, daß er leider die Geheimnummer annullieren lassen müsse, weil sie eben nicht mehr das ist, was sie sein sollte: geheim. Sie sei derart inflationär weitergereicht worden, daß er sich nun auch nach ein Uhr morgens und während aktueller Fieberkrisen nicht mehr retten könne vor Anrufen, weshalb eine neue Nummer, eine neue Geheimnummer beigefügt sei. Diese aber bitte völlig geheim  Und nur in besonders wichtigen Fällen zu benutzen. Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Verständnis...Sind sie nicht zu bedauern? Robyn und mit ihr die anderen, an die sie mich erinnert...

8. September 1992