Wünsche für Zusa
„ZuSa" heißt sie, die neue Geliebte; von vielen Nordostniedersachsen angeschwärmt, wie jede entfernte Geliebte, die man noch nicht näher kennt. Und wie jede neue Geliebte von anderen wieder skeptisch bis misstrauisch beäugt. Auch weil man sie nicht näher kennt. ZuSa... Richtig erotisch schwingt ihr Name erst, wenn man ihn flüstert: Zusa. Das „Z" muss dabei wie ein weiches „S" gehaucht werden. Wie bei Susanne. Sabine oder Süße an deren Ohr. Oder wie beim ZEN in der Meditation. Die neue Geliebte Zusa hat zwar auch mit Ohr zu tun, jedoch mit dem Gegenteil von Flüstern: „ZuSa" seht für unser neues Radio namens „Zucker und Salz". Ab morgen wird im Uelzener Funkhaus An der Rosenmauer gesendet. Klar und deutlich. Im Zentrum also von Uelzen, einer der Zuckerrüben-Hauptstädte der Republik. Außerdem wird ZuSa mit von Lüneburg getragen und gesendet, einer der Salz-Hauptstädte der Republik. Zucker und Salz, ZuSa eben. Eine wahrlich demokratisch wie gruppendynamisch kluge Lösung. Ein Radio für zwei. (Und wie schön, daß bei dieser demokratischen Lösung Uelzen vor Lüneburg rangiert. Wir hätten schließlich auch SaZu heißen können, was von Ahnungslosen gar mit „Saatzucht" assoziiert würde...). Wünschen wir uns - in Uelzen ein zuckerrübensüßes, kleines Radio für uns ab morgen- mitsamt dem Salz in seinen Sendungen, das aus Sendungen ebenso erst gutes Radio macht wie aus einfacher Suppe eine Delikatesse. „ZuSa" erinnert mich an ein Lieblingsgericht in meiner Kindheit. Lieblingsgericht der Erwachsenen. Ich fand es grässlich. „Himmel und Erde" hieß es. Auf dem neutral schmeckenden Kartoffelbreiberg wurde ein tiefer Krater mit der Gabel gedrückt und dahinein kamen sowohl gebratene salzige Zwiebelringe und Apfelmus. Süß und sauer ergaben da einen für meine Zunge unvereinbaren Gegensatz, Zucker und Salz. ZuSa bieten auch einen sochen Pol und Antipol, Extreme unter einem Dach. Wünschen wir dem neuen Radio guten Brückenbau zwischen den Extremen, zum Beispiel zwischen Profis und Laien am selben Mikrophon. Zwischen Musik und Reden, zwischen Durchschnittlichem und Köstlichem, zwischen Mangelhaftem und Mangelware. Radiosendungen haben dasselbe Schicksal wie immer schon Musik und gesprochene Sprache: Sie sind vergänglich. Sie sind Zeitkünste, Künste in der Zeit. Wir hören Musik und sie begleitet uns für ihre Dauer und entschwindet auf und mit ihren Schallwellen im irdischen und kosmischen All. Es sei denn, Musik (in der Partitur) und Sprache werden aufgeschrieben und daher reproduzierbar. Wie bei unseren Zeitungen. Oder hat schon mal jemand eine Geburts- oder Heiratsanzeige über Radio verbreiten lassen? Wünschen wir unserem neuen Radio eine gute Partnerschaft zu den Printmedien, der AZ in Uelzen und der LZ in Lüneburg. Wie sagt der Tell beim Schiller? „Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht behagt". Wünschen wir - um Gottes Willen - weder Zeitung noch Radio, daß sie fromm sind oder werden. Wünschen wir jedoch auch, daß dies Nebeneinander auf die Dauer Spaß macht. Und nicht böse. Schalten wir daher morgen ein: 88,0 um Uelzen und 95,5 um Lüneburg - mit guten Wünschen. Den letzten Wünschen, die wir Hörer einem Radio wünschen können. Denn nach dem Sendestart ist jedes Radio dran - und erfüllt sie, unsere Hörerwünsche.
6. Mai 1997