Komm her - geh weg
Der Titel ist ein (trauriges) Zitat: Da besucht eine Mutter ihren Sohn in der Psychiatrie. Einer der Pfleger beobachtet die Begrüßung. Die Mutter geht auf den abwartenden Sohn zu, umarmt ihn - um sich sofort wieder von ihm zu lösen und auf ihrer Bluse mögliche Folgen der Umarmung wegzumachen. Wegzupfen eines Haares des Sohnes, Wegstreichen möglicher Falten auf der Bluse...Solche Szenen mit solcher Doppelbotschaft an den Sohn („Komm her geh weg!") benutzen Paul Watzlawick und seitdem viele Therapeuten, um anzudeuten, wer da eigentlich (zuerst) gefährdet, also behandlungsbedürftig ist: Mutter oder Sohn...Nun zeigen nicht nur Einzelpersonen neurotische Züge, sondern auch Gruppen, und manchmal ganze Staatsgebilde. Auch unsere hochmoderne, offene, um Transparenz bemühte Staatsregierung zeigt manchmal neurotische Züge. Z. B. in Sachen Tabak. Denn kürzlich feierte Alexander Geburtstag und bei den Fragen, was er sich denn wünsche, haben Alexanders Lieben den Fragenden geantwortet, dass Alexander gerne ein gutes Zigarillo trinke oder ein gutes Bier rauche. So kam es, dass auf seinem Gabentisch gleich mehrere kleine Kistchen und Schachteln mit edlen Zigarillos lagen. Noch nie prangten aber auf dem Gabentisch gleichzeitig so viele Warnschilder vor eben den Geschenken: „Rauchen kann tödlich sein" (stimmt!). Oder: „Rauchen fügt Ihnen und den Menschen Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu" (stimmt alles!). Die Gesetzgebung und Schilderchen wären in Ordnung und Alexander und alle anderen Genuss- oder sonstigen Raucher hätten sich danach zu richten. Jedenfalls was die anderen betrifft, die nicht rauchen wollen. Wenn da nicht die Doppelbotschaft dieser Gesetzgebung wäre, die die Werbung für Rauch - waren gleichzeitig ausdrücklich erlaubt im Gegensatz zu anderen EU-Staaten. Denn natürlich würde uns ein Riesenhaufen Geld flöten gehen", sagte ein Abgeordneter zu Alexander, „Geld, das wir dringend brauchen!" Und er fügte unaufgefordert hinzu: „Derzeit könnte keine Sorte von Regierung auf die Sorte Steuern für Tabak verzichten. Motto: „Raucht fleißig und schädigt die Staatskasse freut's Doppelbotschaften“. Duschen ohne nass zu werden wollen auch Manager durchaus löblicher Konzerne, welche moderne Kommunikationsmethoden in hochbezahlten Trainings lernen. Flache Hierarchien, Teamgeist und so- und in deren Umfeld passiert manchmal mehr Mobbing als in manchen kleinen, konservativ geführten Handwerksbetrieben. Oder die staatliche Beruhigung: „Immer weniger Verkehrstote!" Wo Kenner der Szene wissen, dass gleichzeitig immer mehr Klinikplätze für lebenslang Schwerstverletzte nötig, aber chronisch unterfinanziert sind... Doppelbotschaften, bei denen Alexander am liebsten zu den Entwerfern solcher Doppelbotschaften sagen würde: Komm her ändere die Botschaft - oder schmeiß sie weg.
5. April 2005