Von der Meisterschaft im Intimküssen
Die Meldungen häufen sich: Wir Deutschen sind die besten. Daß wir dies in Sachen Fußball weltweit sind - geradezu selbstverständlich! Da sollen wir auch weiterhin unschlagbar sein, versprach ja unser Ball-Monarch. Aber nun auch in Sachen Liebe? Jawohl, ja „deutsche Lover sind sehr begehrt"... druckte auch die AZ vor 10 Tagen und betrieb ja damit noch Understatement! Denn in dem Text selbst war es eindeutig: “Die deutschen Männer gelten in Europa als beste Liebhaber". Punktum. Also wir? Ich? Jawohl, ja! Wir! Ich und Sie! Ein Schlappschwanz, wer das je bezweifelte! Unsere neue Leistungsstufe, bestätigen 3000 befragte attraktive Frauen, Verzeihung: „Repräsentative" Frauen, steht da, die sogar von einem Kollegen-Institut der Universität Hamburg befragt wurden. Wissenschaftlich begründet also ist diese Aussage: „Jede vierte Frau träumt danach von der Liebe mit einem Deutschen". Ah wer hätte das je gedacht! Oh, ich meine, wer hätte je gezweifelt! Bin ich froh! Mal wieder! Daß ich ein Deutscher bin! Ein fußballweltbester, ein demnächst wiedervereinigter Gesamtdeutscher und nun auch in anderen Vereinigungsfragen Europameister! Was sag ich: Meister in der Vereinigungsform, um die sich alles dreht in dieser Welt. Natürlich muss man(n), müssen wir diesen Titel verteidigen. Und dafür was tun. Aber das, was ich dafür tun muss, soll ja das schönste Tun dieser Erde sein - neben dem Reiten. Auf Pferden. Ich muss allerdings nun auch meine psychisch-emotionale Einstellung gegenüber dieser neuen Verantwortung als akademisch ausgewiesener Höchstleistungs-Lover ändern. Bisher nämlich hoffte ich eher, auch mit Liebeslyrik und Herz-Gesängen einem Weibe freizukommen - mindestens einem von diesen 3000, die da warten. Nun aber geht es doch anders: Da lese ich, daß ich, daß wir Deutschen (Männer natürlich) bei „heißen Liebesspielen mit intimen Küssen" unschlagbar sind. Das spricht dafür, daß der Zungenkuss endlich Vorrang vor dem Lippenkuss oder dem Wangenküsschen einnimmt. Ich wusste, daß ich siegen würde, als meine Biologie-Lehrerin früher immer mahnte „Junge, halt die Zunge im Zaum! Jetzt wird er endlich honoriert! Mein Zungen-Schlag, mein unschlagbarer! Angesichts dieser Stellung und von dieser aus sollten wir nun auch weiter strategisch denken und handeln. Per aspera ad astra. oder nur der gewinnt, wer auch wagt. Bisher war ich da anders eingestimmt Blümchen und zartem Lächeln, mit Kerzenlicht und sanfter Musik. Jetzt gehts - scheint's - mehr um die sportive Seite. Es heißt ja auch nicht mehr altmodisch „Liebende" in der Meldung der Nachrichtenagentur „gep", sondern „Lover". Also auf sie - die Österreicher und Holländer - mit Gebrüll: Denn diese machen uns den völlig unangefochtenen Sieg in allen Sparten des Liebens noch streitig. Die Österreicher und Holländer werden nämlich - allerdings nur am Rande - erwähnt als diejenigen, die ihre Frauen (die haben offenbar wieder Polygamie) täglich lieben. Während wir Deutschen dies angeblich (allerdings nur statistisch) an jedem 12. Tag tun. Das muss also schon ein anderer Landstrich sein, als unserer. Hier brauche ich ja nur in der Freizeit draußen spazieren zu gehen - überall spielen die Kinder draußen. Und wofür ist das ein untrügliches Zeichen? Na eben! Oder haben Ihre Eltern. Sie nicht auch am Sonntagvormittag zum Spielplatz geschickt? Also in unserer Straße läuft das völlig anders. Da ist immer was los drinnen, weil die Kinder immer draußen sind. Und auch Kollege Werner in Hamburg, schon 18 Jahre verheiratet, fährt trotz der kurzen Mittagspause regelmäßig nach Hause, um regelmäßig abgehetzt zurückzukommen. Nicht umsonst nennen die Amerikaner die schnelle Liebe ein „Quicky". Aber wir Deutschen haben das inzwischen auch. Längst! Zusammen mit die „Longies". Also dieser Vorsprung der Österreicher und Holländer ist sicher nur statistisch entstanden, nicht Realität. Wir sind die EG-Meister als Lover. Täglich lieben? Sollte es Männer unter uns geben, die das wirklich noch nicht tun? - Alles Trainingssache. So wie das Tanzen, mit dem die Spanier uns angeblich über sein sollen. Außerdem - las ich nicht kürzlich, daß wir Deutschen auch wieder mehr im Kornfeld und am Strand...? Sehen Sie - das Schlafgemach reicht nicht mehr kosmische Dimensionen brauchen wir schon im Lieben! Zugegeben - alles ein bisschen anders heutzutage. Aber es lohnt sich das Guinnes-Buch der Rekorde winkt. Annchen von Tharau? „Da haben wir so manche Stund?" Kein Mensch interviewt solche Ännchens. Und die Stundenangabe muss präzise, überprüfbar, vor allem unübertreffbar sein! Nur noch ein bisschen mehr von allem - dann haben wir's geschafft und das Sexologische Institut des Kollegen in „gep" herantreten. Konnte man für diese siegreiche, männliche, mit einem Wort: „deutsche" Nachricht nicht eine Agentur etwas ästhetischeren Namens nehmen? Glupp...
4. September 1990