Kolumne für Kollege Hinnerk

Genauer: Diese Kolumne ist für einen kranken Kolumnisten. Für Hinnerk Voigts. Die AZ berichtete vergangene Woche, daß Hinnerk leider (und wieder) im Krankenhaus liege und seine Leser sich gedulden müssten. Für mich eine Gelegenheit, im Tagesgeschäft innezuhalten und nach beziehungsweise vorzudenken: Sollen wir immer nur auf „runde" Jubiläen warten, um jemanden einen Blumenstrauß zu geben? (Hinnerk hat bereits mehrere „runde Geburtstage" hinter sich, mit entsprechenden Sträußen aus Blumen, Worten und Papier und hat sich darüber vermutlich nicht gewundert, weil solches „üblich" ist). Brauchen wir immer erst eine öffentliche Ehrung, um schnell nebenbei „mitzuehren", indem wir zur Ehrung gratulieren? (Hinnerk hat auch solcherlei schon erfahren, zum Beispiel bei der seinerzeitigen Kulturpreisverleihung. Und sicher auch dabei nicht gestaunt, als man ihm dazu gratulierte, weil es „üblich" ist). Nein, es geht auch gänzlich anders: Wir können glücklicherweise auch zu unüblichen Zeiten, zum Beispiel weniger glücklichen oder gar unglücklichen Zeiten (zum Beispiel, wenn jemand ganz einfach krank ist) einen Blumenstrauß binden. Meist wirkt dieser gesünder als zu gesunden Zeiten. Mein Blumenstrauß für Hinnerk hängt mit einer Bewunderung zusammen, die ich Hinnerk noch nie sagte, weil ich ihn während meiner 13 Jahre Kolumnendasein nur wenige Male kurz „zwischen Tür und Angel sah" (der häufigste Platz, wo man Zeitungsautoren wie Hinnerk sieht). Dagegen habe ich jedoch Hinnerk beziehungsweise seine plattdeutschen Geschichten Homöopathie behandelte. Ich lese dann Hinnerk nachts, am späten Ende eines Tages oder am frühen Morgen eines neuen. Besonders so weit weg von zuhause fiel mir auf, wie liebevoll Hinnerks Geschichten die Menschen streichelt, die er darin beschreibt. Hinnerk schreibt oft Streicheleinheiten, die - hoffe ich - nicht nur ich fühle, ohne meist darüber nachzudenken. Ich habe Heinrich Voigts bei den sehr wenigen flüchtigen Begegnungen manchmal selbst als „flüchtig" empfunden - derart auf Trab war er, von Termin zu Termin eilend. „Ich brauche das" - sagte er einmal. Und eilte zur Gasthauseinweihung dort und anschließend zum 25jährigen Chorjubiläum hier. Von der goldenen Hochzeit flitzte Hinnerk zur Feuerwehrversammlung und von dort zur Redaktion. Und zurück beziehungsweise vorne….Merkwürdig ist, daß von dieser Eile in den Geschichten am Mittwoch nichts zu spüren ist. Da fühle ich mehr väterliche Gelassenheit, weisen Humor - und eben eingepackt in eine Sprache, um die ich Hinnerk und alle, die sie können, beneide. Platt. „Jeden Mittwoch an dieser Stelle" druckt die AZ mit dem Vorspann neben Hinnerks jäger- behüteten Schädel. Was steckt da für eine Verpflichtung, für eine Treue dahinter, diesen Vertrag mit seinen Lesern durchzutragen! Ich weiß ein Lied, ach was, ich weiß Oratorien davon zu singen wie schwer das oft ist! (Und bin bei meiner Kolumne gutbegründet auf „nur" alle 14 Tage übergegangen...). Hinnerk hat mit seiner bisherigen Treue zu seinen Lesern das eine geschafft und geschaffen.

4. Mai 1993