Herr, hilf uns - per Fax bitte

Fax ziert den Briefkopf der Firma, die auf sich hält. Die Fax - Nummer prangt mittlerweile auf der Lastwagenreklame selbst kleiner Firmen neben der altmodischen Telefonnummer. Fax- Nummern weisen ihre Inhaber als besonders schnell, mindestens besonders schnell erreichbar aus. Redaktionen zum Beispiel. (Inzwischen sollen vereinzelt öffentliche Behörden per Fax erreichbar sein um sich mittels dieses Gerätes den Ruf der Schnelle geben zu können). Und wer inzwischen nicht alles faxt! Und wo dieses labberige Papier inzwischen nicht überall aus dem Gerät quillt! Rolf zum Beispiel, von dem ich mich vorhin nur zu gern verabschiedete, froh, daß ich ihn endlich los war, diesen Dauerschwätzer, was sagt der zum Abschied? „Bis nachher ich fax nochmal durch!" Er wird dann den Entwurf für seinen Beschwerdebrief an den Vereinsvorstand faxen, den ich sicherheitshalber vorher sehen sollte. Als ob er sich nicht allein beschweren kann...Zugegeben - es gibt auch das Gegenteil von Rolf: Es gibt durchaus lustige Faxen beim Faxen. Da ziehe ich doch beim letzten Geburtstag einen halbmeter-langen Fax-Brief aus dem Gerät von Fritz und Lucien, die sonst grundsätzlich zu spät gratulieren. Wenn überhaupt. Aber seit er nicht mehr in Lüneburg Lehrer ist, sondern an der Deutschen Schule in Djakarta, wo es Fax gibt-seitdem ist Fritz pünktlich. Seit es Fax gibt, haben die Leute Spaß am pünktlichen Gratulieren: Man ist als Gratulant auf deren Geburtstagstisch vertreten, obwohl man beim Frühstück noch gar nicht an das Gratulieren zu Tante Ulrikes 70, dachte, sondern erst auf dem Klo nach dem Frühstück, weil dort der Kalender mit den wichtigsten Geburtstagen der empfindlichsten Verwandten und Kollegen hängt. Nach dem Schreck, daß man um ein Haar Tante Ulrike (wieder mal) fast vergessen hätte, kann der Fax-Besitzer von heute in Ruhe und trotz Feiertag oder Poststreik zum Gratulieren schreiten. Per Fax. Und Tante Ulrike ist gerührt, daß man an sie pünktlich dachte und solch modernes Zeug wie Fax in Gang für sie setzt. „Ich fax Dich an" ersetzt inzwischen die ausgediente Formel „Bis dann" oder „Wir sehen uns später". Und klassische Briefe ersetzt Fax sowieso. Das „Ich sehe Dich später" oder,,see you later" als frühere Ankündigung eines Wiedersehens ist mit dem „Ich fax nachher" der Ankündigung einer Lektüre gewichen. Fax eben Rolf kann mich seit er (und ich) Fax haben, also Rolf kann mich jetzt immer kriegen. Wann er will. Während er mich früher mal konnte... Denn einfach vorbeigehen am Fax-Gerät, aus dem etwas heraushängt, ohne zumindest zu überfliegen, wer mir ein Fax weswegen schickte - das schafft kein gebildeter Zeitgenosse, denn das Kennzeichen echter Bildung ist die Neugier. Das Letzte, was ich über Faxbenutzung lernte: Fax dient inzwischen Gott. Mindestens dient Fax dem Gottesdienst. Es gibt nämlich zunehmend auch Fax- Freaks in kirchlichen Amtsstuben. Zum Beispiel Herr Hagedorn vom Missionarischen Zentrum der liebt es in Hanstedt besonders, wenn er Faxe kriegt. Und kürzlich ging es in der Gottesdienstvorbereitung um die schnelle Übermittlung eines bestimmten Psalm-Gebets an ihn. „Können Sie mir das möglichst schnell geben: O, Herr hilf? per Fax?" Der Herr half- allein schon dadurch, daß er dieses Teufelszeug Fax (Tante Ulrike) irgendwo in seiner Schöpfung auch vorgesehen haben muss. Nehme ich mal an.

3. November 1992