Ein Geburtstag mit Fehlern

Es gibt nicht viele davon, aber es gibt sie: Diejenigen von uns, die ihren Geburtstag aufgrund eines Rechenfehlers feiern. Nein, nein - nicht eines familiären Rechenfehlers bei der Geburtenmißplanung von Eltern. Ich meine die, die an einem 29. Februar geboren werden. Was mit einem Rechenfehler unserer lieben Verstorbenen zu tun hat, die unsere Kalenderrechnung planten. Weshalb diejenigen von uns, die an einem 29. Februar geboren wurden, im Grunde nur alle 4 Jahre in einem Schaltjahr „richtigen " Geburtstag haben, die Armen. Eine davon, die dieses Pech hat, kenn ich. Die Dame heißt Ingrid. Doch was heißt kennen - ich weiß von ihr, daß es sie gibt und in der Westkoppel unserer Kreishauptstadt mit ihrem Mann lebt. Offensichtlich lebt sie da und mit ihm für menschliche Verhältnisse glücklich. Denn sonst würde Frau Ingrids Mann nicht so fürsorglich darauf achten, den jeweils ,,richtigen Geburtstag seiner Ingrid besonders zu würdigen. Was es mit dem Rechenfehler auf sich hat, auf dem alle diese Geburtstage wie der von Frau Ingrid aufbauen (und die arme und ihre Schicksalsgenossen und Genossinnen feiern nun erst 1996 wieder ihr richtiges Wiegenfest und 1993 bis 1995 nur falsche, wahlweise am 28. Februar oder am 1. März) - das habe ich recherchiert. Was für mich bei solchen Zahlendingen immer heißt: Ich rufe Onkel Hans-Heinrich an, der als Astronom in die Sterne und damit in die Zukunft wie in die Vergangenheit schaut. Fehler wie der bei Ingrids Geburtstagsrechnung (überhaupt alle Fehler, die Menschen machen) haben mit letzterem, der Vergangenheit zu tun: Die alten - nein, nicht Griechen - die alten Ägypter wussten schon, daß die Erde nicht genau 365 Tage braucht, um die liebe Sonne zu umrunden, sondern genau 365 und einen Vierteltag. Da kam immer- hin alle 4 Jahre 1 ganzer Tag zu den 365 Tagen dazu sonst würde die Rechnung nicht aufgehen. Und dieser Umstand nahm Caesar - richtig, der von den Römern - zum Anlass, in seine Kalenderneuberechnung den viermal Vierteltag alle vier Jahre als einen ganzen Tag einzuschalten. Woraus - jawohl, richtig! - das Schaltjahr alle 4 Jahre mit 36 Tagen wurde. (Zur Erinnerung für uns Bildungsbürger: Weil Caesar mit Vornamen u.a. - auch Julius hieß, hieß dieser Kalender der Julianische). Warum er nicht einfach fünf gerade sein ließ bzw. dieses Viertelchen Tag Überschuss ignorierte und sich ansonsten wirklich wichtigen Staats- und Kriegsgeschäften widmete, der Julius Caesar, der Schüler- schrecken? Wenn er oder wir das länger ignoriert hätten, würden wir im Laufe der vielen Jahre und der gehäuften ignorierten Viertelchen Tage nicht mehr (z.B.) am 21. März unseren lieben Frühlingsanfang feiern können, sondern erst im Hochsommer. Oder Weihnachten im Frühling. Oder Ostern im Advent... Kalendarisches Chaos würde herrschen. Um dieses nicht zu leiden - müssen Frau Ingrid und alle an- deren an einem 29. Februar Geborenen leiden und das Opfer bringen, nur alle 4 Jahre „richtig" feiern zu können. Und dafür sei an dieser Stelle Dank gesagt von uns normalen, mit ihren Festen nicht gefährdeten Geburtstagskindern. Apropos „Kind" - das bleiben Frau Ingrid und wir alle am Geburtstag lebenslang. Selbst wenn wir sogar runde 60 werden. Wie Frau Ingrid. Übrigens rechnete auch der genaue Feldherr noch nicht ganz genau. Es blieb ein Restfehlerchen. Diesen korrigierte endgültig dann im Jahre des Herrn (Jesus) 1572 sein Stellvertreter auf Erden (Papst Gregor, weshalb sein Kalender, unser Kalender heute - ah, das wissen Sie schon?) Indem der Hl. Vater in bestimmten großen Zeitabständen sogar das ganze Schaltjahr ausfallen ließ. Das wird heute noch so gemacht, damit es rechnerisch haargenau läuft. Mit dem Laufen der Erde um die Sonne in 365 Tagen... Für Frau Ingrid und Mitgeburtstagskinder bedeutet diese Nachberechnung und das nötige Ausfallen des Schaltjahres eine Tragödie: „Ihr Geburtstag, sogar ein richtiger", fällt völlig aus. Aber dies - sozusagen zum Trost für speziell Frau Ingrid und unsere lebenden Generationen - passiert laut Onkel Hans- Heinrich, der es wissen muss, erst wieder im Jahre 2100...

3. März 1992