Von Allerwelt und Allerheiligen

Ersteres - Allerweltliches haben wir täglich. Allerheiligen hingegen feiern die Katholiken nur einmal jährlich. Auch heute, am 1. November. Beides hängt eng zusammen, Allerweltliches und Allerheiliges. Und beides wiederum hängt (auch) mit dem Einfordern von Süßigkeiten und Keksen zusammen, am liebsten „cash", aber mindestens ein Fläschchen mit Kurzem, das die Kids in katholischen Gegenden, und da besonders in Bayern ab morgen, ab Allerseelen „ersingen". Und Allerseelen folgt Allerheiligen auf dem Fuße, schon morgen. Von Bayern (und ursprünglich) Irland zu uns in den protestantischen Norden ist es nicht weit: die lieben alten Bräuche des Martinssingens, des Thoms- Singens (Wintersonnenwende), dem Singen zu den Hl. Drei Königen und etwas weiter weg zu dem ganz und gar unlieben Halloween (auch nur ein Relikt europäischer Einwanderer in USA) sind es nur kleinere Sprünge zwischen Weltlichem und Heiligem. Allerheiligen feiert die katholische Kirche seit 1200 Jahren den Tag des Gedenkens an alle ihre Heiligen. Allerseelen feiert sie das Gedenken an alle ihre verstorbenen Gläubigen. Bis weit nach der Reformation des Mönches Martin Luther feierten auch alle unsere norddeutschen Vorfahren diese Feste. Und wie das dann zu Festtagen so war: „Arme und Kinder" durften aufgrund des mittelalterlichen „Brotspendewesens" nicht etwa nur betteln, das war allerweltlich-alltäglich, nein, sie hatten ein Recht eingeräumt bekommen, ab diesen Festtagen von Haus zu Haus Brot zu sammeln. Genauer wohl: Brötchen, denn sie wurden extra gebacken und hießen und heißen „Seelenwecken". Nicht erst heute wird (besonders beim allerweltlichsten Halloween) mehr gegrölt als gesungen an den Türen und nicht erst heute wird mehr gefordert als erbeten. Es ist unsere romantisierende Sehnsucht, sich klare, sauber klingende und sauber gewaschene Matz'sche Chorsänger/Innen von Uelzens Kantorei an unseren Türen vorzustellen. Gar noch mit der Meinung, so ästhetisch und lieb sei das früher gewesen. Denn früher sang man auch schon nachdrückliche „Heischesprüche" ab und heischen, erheischen meint Einfordern. „Arme und Kinder" - die älteste Koppelung von Wörtern, die Hilfsbedürftigkeit meinen und die bis heute in jede aktuelle TV-Nachrichtensendung mit Spendenaufruf einwirkt, sind es gar nicht mehr, die ab Allerheiligen und spätestens ab Allerseelen und zu St. Martin und Thoms auch bei uns in der protestantischen Heide statt „Seelenwecken" Klein- u. a. Geld erheischen. Unsere Kinder und Kids, die ab und an jetzt auch wieder vor unseren Türen stehen, sind eher Kinder mit Eltern der uns (noch) haltenden Sozialsysteme. Brötchen, gar Seelenwecken braucht da keiner. Insofern sind es die völlig Falschen, die das alte Brotspendenwesen der mittelalterlichen Klöster, Spitäler und Pfarreien ab Allerheiligen aufrechterhalten. Und nicht einmal wissen, was sie da in langer Tradition tun. Nichtsdestotrotz: Mir sind ahnungslose Aufrechterhalter einer Tradition noch lieber, als gar keine. Aber sie sollten singen können. Mindestens mit gutem Willen brummen" (frei nach Martin Luther).

1.November 2005